Besucherzentrum Archäeopark Vogelherd
Mehrfachbeauftragung 1. Preis / 07.2011 / Realisierung 2013 / Leistungsphasen 1 - 9 Bruttogeschossfläche: 544 m2 / Bauherr: Stadt Niederstotzingen, vertreten durch den Bürgermeister Herrn Gerhard Kieninger / Szenografie: Arbeitsgemeinschaft mit Lutzenberger & Lutzenberger / Wissenschaftliche Betreuung: Universität Tübingen, Institut für Ur- und Frühgeschichte, Prof. Nicholas J. Conard Ph.D., M.A.Ewa Dutkiewicz / Freiflächenplanung: Keller Damm Roser Landschaftsarchitekten GmbH / Tragwerksplanung: Prof. Feix Ingenieure GmbH / Bauphysik: Müller BBM GmbH / Fotos: Brigida Gonzalez
Die Vogelherdhöhle bei Niederstotzingen im Lonetal der Schwäbischen Alb gehört zu den wichtigsten Fundplätzen des Jungpaläolithikums in Europa. Hier fanden Archäologen der Universität Tübingen in den 1930er Jahren und bei Nachgrabungen seit 2006 mehrere kleine, bis zu 40 000 Jahre alte Tierskulpturen aus Mammutelfenbein, die zu den ältesten Kunstwerken der Menschheit gehören.
Um einige dieser Funde in unmittelbaren Nähe des Grabungsortes ausstellen zu können und in Form eines Archäoparks die Lebenswelt des Aurignaciens, dem Zeitalter ihrer Entstehung, erlebbar zu machen, lobte die Stadt Niederstotzingen im April 2011 einen Architekturwettbewerb aus. In Zusammenarbeit mit dem Städtebau Institut der Universität Stuttgart wurden drei Architekturbüros zur Vorentwurfsplanung eines Besucherzentrums incl. Ausstellungsszenografie eingeladen. Der nun realisierte Entwurf wurde mit dem ersten Preis ausgezeichnet.
Das Besucherzentrum
Das neue Ausstellungsgebäude liegt 200 m südöstlich der Höhle in einer Talsenke. Die Vernetzung von Ausstellungsflächen und Umgebung stehen im Vordergrund der Gestaltung. Das Gebäude ist als landschaftliches Element konzipiert, das sich sensibel in das Landschaftsbild des Lonetals einfügt. Seine typologische Eigenständigkeit und raumbildende Wirkung entwickelt der Baukörper im Zusammenspiel von Topografie und Wegeführung.
Die Ausstellungsfläche ist in einen sich sanft aus dem Gelände erhebenden, sichelförmigen Graswall eingebettet, der sich zum Vogelherdhügel hin öffnet. Der zentrale Platz im Inneren des Walls dient als Ausgangspunkt für den Rundweg durch den Archäoparkpark und zur Höhle.
Großformatige boden- und deckenbündige Verglasungen bilden die Fassade zum Hof. Innenraum und überdachte Freibereiche gehen ineinander über. Das Panorama des Vogelherdhügels begleitet die Besucher als stete Kulisse durch die Empfangs- Cafeteria- und Ausstellungsräume. Als Teil der Topografie und Referenz an den Fundort der Kunstwerke besteht das Gebäude aus Sichtbeton
Die Ausstellung
Im Eingangsbereich der Ausstellung befinden sich zwei von der Decke abgehängte satinierte Plexiglasschalen, die auf der Innenseite mit den wichtigsten Informationen zu Ort und Zeit bedruckt sind.
An der Rückwand des Eingangsbereiches vermittelt ein Animationsfilm einen Überblick über die erdgeschichtlichen Zeitalter und die Entstehung des Lonetals.
Einer leicht geneigten Rampe folgend, gelangen die Besucher in einen abgedunkelten, höhlenartigen Raum. Hier werden zwei der originalen Fundstücke, darunter das einzig vollständig erhaltene Stück, ein 3,5 cm kleines Mammut aus Mammutelfenbein, präsentiert. Diese Funde aus der Vogelherdhöhle sind das Herzstück der Ausstellung. Eine Projektion zeigt als Close-up den Entstehungsprozess einer Elfenbeinskulptur.
Letzte kontemplative Station vor dem Parkbesuch ist das Auditorium. Vor der Kulisse des Vogelherdhügels befindet sich eine zur Wand hin ansteigende Reihe von Sitzstufen. Hier können die Besucher aus mehreren kurzen, anekdotischen Hörgeschichten zu eiszeitlichen Themen auswählen und dabei das Treiben im Park und auf dem Platz beobachten.
Der Park
Auf dem Weg sein heißt, aufmerksam sein, riechen, spüren, die Sinne schärfen, Augen und Ohren offen halten, die Umwelt wahrnehmen.
Tierspuren nähern sich, kreuzen und begleiten den Pfad ein Stück und verschwinden wieder. Der Kothaufen eines Höhlenlöwen am Wegesrand - Hufgeräusche einer Rentierherde oder das keckern einer Höhlenhyäne wecken Instinkte die neben dem wissenschaftlichen auch eine empathischen Zugang zu dieser vergangenen Welt ermöglichen.
Auf den Weg zur Höhle tauchen in unregelmäßigen Abständen mit Fragen beschriftete Eichenholzbohlen auf. Sie beschäftigen sich mit Thesen der Paläontologie und der Anthropologie und laden zum inneren Dialog. Wissenschaftliche oder philosophische Hinweise findet man links und rechts des Weges -analog dem Beeren suchen- in Form von beschrifteten schwarzen Kautschukblöcken.
An fünf um eiszeitliche Feuerstellen angeordnete Themenplätzen lassen sich Fähigkeiten wie Feuer schlagen, Zeltbau oder Speerwerfen erproben. Der Höhepunkt des Rundweges ist jedoch die Erkundung des Originalschauplatzes, der Vogelherdhöhle selbst.